Für alle nachfolgenden Texte gilt:
©Martina Giese-Rothe, alle Rechte vorbehalten, Wiedergabe, auch auszugsweise nur mit vorheriger Genehmigung.
Signed and dated: F Winterhalter [London. 1842]. Inscribed on the back with the names of the artist and sitter and the date, 1842.
Quelle: Wikipedia: gemeinfrei
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Alexandrine von Baden
Ich nenne sie liebevoll „mein Drinchen“
- Wer ist gemeint?
Alexandrine Prinzessin und Markgräfin von Baden, Herzogin von Zähringen. Ihr voller Name lautet: Alexandrine Luise Amalie Friederike Elisabeth Sophie, durch ihre Heirat mit Ernst August Karl Johann Leopold Alexander Eduard Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha (verstorben am 22. August 1893 bei uns in Reinhardsbrunn) war sie einst eine Landesherrin des Herzogtums Sachsen-Coburg-Gotha. Zudem war sie die Schwägerin von Queen Victoria und pflegte zu ihr ein sehr gutes Verhältnis.
Die Ehe von Alexandrine:
Ernst II. (1818–1893), Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha heiratete am 03. Mai 1842 Alexandrine (1820–1904), Prinzessin von Baden, Tochter von Leopold (1790–1852), Großherzog von Baden (vgl. Stammliste des Hauses Baden)
Meine erste Begegnung mit ihr hatte ich unbewusst als ich durch die nach ihr benannte Straße, die „Alexandrinenstraße“ in Friedrichroda, lief. Damals wusste ich noch nicht warum diese Straße so hieß und wessen Name sie trug.
Die Straße wurde Mitte der 1880er geplant und sollte die neue „Alleestraße“ für den sich rasant entwickelnden „herzoglichen Badeort“ nahe der Schlossanlage von Reinhardsbrunn werden. Anfänglich wurde mangels klammer Kassen seitens der Stadt deren Bau verzögert, bis in 1885 seitens der herzoglichen Verwaltung entschieden wurde den Neubau umzusetzen. Dazu wurden erhebliche Mittel beigesteuert. In 1886 erwarb die Stadt Friedrichroda dann Grundstücke an der geplanten Straße, die dem Neubau einer Höheren Privatschule für Knaben und Mädchen dienen sollte.
Meine zweite Begegnung mit ihr hatte ich etwas später in Reinhardsbrunn.
Doch warum nenne ich sie „mein Drinchen“?
Ich möchte einen kritischen, einen anderen Blick auf sie werfen, als es offensichtlich bisher überall zu lesen war … und werde später versuchen auf die Beantwortung dieser Frage einzugehen.
Alexandrine liebte, so sagt sie von sich selbst, die Natur. So ist sicher davon auszugehen, dass sie sich in ihrer neuen Heimat, dem Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha, neben Schloss Kallenberg bei Coburg, besonders auch bei uns in der Landschaft des herrlichen Tales, von Reinhardsbrunn, welches als paradiesisch beschrieben wird, geborgen fühlte. Die Natur hatte eine faszinierende Wirkung auf sie, wie heute auch auf uns, sie tut uns gut.
Wir können in der Natur gut zu uns selbst finden und so Stress abbauen, sie hat eine harmonisierende, positive Wirkung auf uns Menschen und wirkt wie Medizin für Geist, Seele und Körper. Da Reinhardsbrunn schon seit Äonen ein ganz besonderes Fleckchen Erde ist, waren und sind dies allein schon Aspekte, um hier zu verweilen. Genau diese Eigenschaften machen Reinhardsbrunn zu einem wahren Refugium, was ich, aus eigenem Erfahren heraus, unwidersprochen bestätigen kann.
Wie es zur Zeit Alexandrines allgemeine Praxis in ihren Kreisen war, sollte auch die Heirat von ihr mit dem Erbprinzen und späteren Herzog Ernst II. aus dem Hause Sachsen-Coburg und Gotha aus machtpolitischen, familiären und wirtschaftlichen Gründen – wie in den allermeisten Dynastien dieser Zeit so üblich – erfolgen.
Ernst II. bringt dies mit seinen Worten deutlich zum Ausdruck:
„Man pflegt zu behaupten, dass fürstliche Heiraten im neunzehnten Jahrhundert längst aufgehört hätten eine politische Bedeutung zu beanspruchen. Die Welt, meint man, sei aufgeklärt genug, sich von den Schicksalen zufälliger ehelicher Bindungen nicht mehr wie ehemals beeinflussen zu lassen, und der Gang der Dinge stehe im heutigen Europa hoch über den persönlichen Verhältnissen und Beziehungen einer Anzahl von historischen Familien. Ich halte diese Anschauung des staatlichen Lebens für gründlich unwahr und glaube vielmehr, daß man sich durch dieselbe das richtige Verständniß für eine Menge von historischen Ereignissen selbst muthwillig versperrt.
… Wann hätte es auch eine Zeit gegeben, wo fürstliche Frauen nicht einen direkten und noch mehr einen indirekten Einfluß auf die (Anm. d. Verf.: politischen) Angelegenheit genommen hätten.“[1]
Dennoch war es für Ernst II. wohl eine interessante Erfahrung, dass Alexandrine in dieser Angelegenheit ein für ihn unerwartetes Verhalten offenbarte. Sie war keineswegs naiv oder kopflos ob seines Ansinnens, gerade sie zu ehelichen, war doch der Erbprinz an den Höfen als „Schürzenjäger“ bekannt.
Der Vater von Ernst II., Ernst I., hatte die Absicht seinen Sohn enger in Coburg anzubinden und auf seine künftige Aufgabe zu fixieren. Um das zu erreichen, war es unumgänglich ihn entsprechend zu verehelichen. Dazu gab es auf diplomatischem Parket einige Aktivitäten.
Es war im Herbst 1840 als Ernst II. Prinzessin Alexandrine in Schwetzingen sah. Er beschreibt sie „… Ich sah hier Alexandrine … in noch vollendetem zwanzigstem Jahre einfach und in ungekünstelter Natürlichkeit, also in dem Schmuck, der ihr im ganzen Leben der wertvollste war und an der an ihr von hohen und niederen Menschen immer am meisten bewundert blieb.“[2]
Das aber war nicht der Auslöser für beider Eheschließung. Das war dann doch eher eine Verkettung besonderer Umstände die schließlich zu seinem Antrag führten.
Im Winter 1842/42 traf Ernst II. in Leipzig auf den Fürsten von Fürstenberg, der Onkel von Alexandrine. Diesen sprach er bezüglich einer möglichen Heirat an. Der Fürst versicherte ihm, dass man Ernst II. am Hofe in Baden mit Freuden willkommen heißen würde und dass er wohl keine glücklichere Wahl treffen könne. Noch wusste sein Vater Ernst I. nichts davon. Zu dessen Geburtstag am 2. Jan. 1842 meinte dieser, dass das Ansinnen von Ernst II. „zu wenig vorbereitet“ sei. Inzwischen hatte er auch die sächsische Königin Marie diesbezüglich um ihre Unterstützung gebeten. So ging aber fast ein viertel Jahr dahin, ohne dass Ernst II. aus dem Badischen irgendeine Nachricht erhielt. Er war wohl etwas konsterniert, ob einer ausbleibenden positiven Reaktion von Seiten Alexandrines. Königin Marie rief ihn am 28. Dez. 1841 zu sich und teilte ihm mit, dass er in Karlsruhe herzlich willkommen sei und einen Besuch dorthin machen sollte.
Daraufhin reiste Ernst II. angetrieben durch seine Ungeduld, nach Karlsruhe. Dort gaben sich alle so, als wüsste man nichts von den Heiratsabsichten Ernst II.
Er entschied sich nicht länger zu zögern und sprach die Mutter (Großherzogin von Baden) von Alexandrine direkt auf seinen Heiratsantrag hin an. Diese vermittelte ihm sehr überraschend, „… dass man dies von Herzen gern gesehen hätte, daß aber die Hauptsache, die Entscheidung der Prinzessin selbst sei.“
Als Alexandrine dann kurze Zeit allein mit Ernst II. war, brachte er nach kurzem Schweigen, sein Vorhaben zur Sprache. Er schreibt: „Indem ich die Prinzessin betrachtete, fand ich mich wie von selbst in die Überzeugung versetzt, daß hier ein Wesen sei, dem nichts als die schlichteste Natur und Wahrheit erfreulich sein würde. … Entweder, fügte ich hinzu, erklären Sie, daß sie mit meiner Absicht einverstanden sind, und alsdann bleibe ich, und wir lernen uns näher kennen, oder Sie sagen einfach das Wort, welches die Eltern aus Rücksicht und Aengstlichkeit vielleicht zurückhielten. Dann verlasse ich dieses Haus in der guten Ueberzeugung, daß niemand weiter von der Sache erfährt, die sich hier zugetragen hat. (Anm.: nach eigener Aussage von Ernst II. sind diese Worte aus seinem Gedächtnis heraus, sinngemäß zu verstehen) … Doch besinne ich mich noch, daß die Herzogin (Prinzessin) sagte, es könne ihr nichts besser gefallen, als einen Mann zu finden, der so gerade heraus, frei und ehrlich mi ihr spreche, wobei sie mit liebenswürdigster Menschenkenntnis noch hinzufügte, das Sichkennenlernen führe im Leben oft erst recht zu Täuschungen und das Beste wäre wohl Glauben und Vertrauen. So schlug sie ein und erklärte, daß wir gleich als verlobte Brautleute erscheinen könnten.“[3]
In einem Brief an seinen Onkel Leopold am 7. April 1842 Schreibt Ernst II.: „An Alexandrine hat mich der Himmel finden lassen, was nur je für mich zu wünschen war.“
Schon einen Monat danach heirateten beide.
Gemäß meinen Recherchen gab es wohl viele Interessenten, die Alexandrine mit „Kusshand“ geehelicht hätten.
Jedoch fiel ihre Wahl, wie vorab gezeigt, erst nach dem ersten persönlichen Treffen mit Herzog Ernst II., auf ihn.
Was wohl alles im entscheidenden persönlichen Gespräch zwischen den Brautleuten thematisiert wurde, verschließ sich uns mangels entsprechender Aufzeichnungen. Zumindest glaube ich, dass der „Lebenswandel“ nicht unangesprochen geblieben ist.
In ihren Tagebüchern schreibt sie, dass es für sie eine Liebesheirat war und sie eine glückliche Ehe führte.
Die Ehe der beiden blieb, für sie wohl „schmerzhaft“ leider kinderlos, da die Herzogin durch einen erlittenen Reitunfall keine Kinder mehr bekommen konnte.
Seit ihrer Ehe mit Ernst verband sie eine tiefe Freundschaft mit der Ehefrau ihres Schwagers Albert, Queen Victoria. So war Alexandrine hier in Friedrichroda über die gesamte Zeit des Aufenthaltes (5. Sept. bis zum 3. Okt. 1862) von Victoria nach dem Tod von Albert in Reinhardsbrunn, deren stete Begleitung als Freundin und Schwägerin.
Auch heute noch erscheint mir Ernst‘s Verhältnis zur Damenwelt einmal mehr als ambivalent in Bezug zu seiner Ehe mit Alexandrine. Sein Verhalten legte er auch nach der Hochzeit offensichtlich nicht ab. Er hatte eine Vielzahl von Affären und Mätressen. Sie wurden im Volksmund "Vorleserinnen" genannt. Insbesondere hatten es ihm Sängerinnen und Schauspielerinnen angetan.
Ein Blick auf den Erbprinzen und späteren Herzog Ernst II. verrät uns, dass er mehrere uneheliche Kinder hatte, die aber ohne Anspruch auf den Namen (und das Erbe) des Hauses Sachsen-Coburg und Gotha blieben:
Die nichteheliche Tochter Helene[4] war 1856, zwei Jahre vor ihrer Hochzeit mit seinem Vater, als von Sternheim nobilitiert (in den Adelsstand erhoben) worden. Sie war die Mutter des Admirals Ludwig von Reuter. Ihre Mutter war Fräulein Steinpflug.
Die Mutter Frl. Rosine Stolz war die französische Opernsängerin Victorine Noël, bekannt als Rosine Stoltz (1815–1903).
In ihrer Pariser Zeit war sie oft Gast des Herzogs Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha, einer ihrer glühendsten Verehrer, ohne jedoch zu späterer Zeit in einem der herzöglichen Theater in Gotha und Coburg jemals aufzutreten.
Ab März 1847 hielt sich Rosine Stoltz für eine längere Zeit im thüringischen Gotha auf. Ernst II., als ein Freund von Kunst und Sängerinnen, gab ihr ein angemessenes Quartier in einer schlossähnlichen Villa und besuchte sie dort, fernab seiner Residenz und seiner Gemahlin, die sich ja in Coburg befanden. Der volkstümliche Herzog, ohne direkte Nachfahren blieb, brüstete sich später wiederholt damit, „außerehelich keinesfalls kinderlos gewesen zu sein“. 1856 ehrte der Herzog die von ihm verehrte Opernsängerin mit einer eigens von ihm für sie geschriebenen romantischen Oper Santa Chiara, die sie in Brüssel auf der Bühne verkörperte.
Anhand der Geburtsdaten erkennen wir, dass die beiden Töchter vor der Ehe mit Alexandrine in vorherigen Liaisons (Affären), aber unehelichen Beziehungen das Licht der Welt erblickten und die drei Söhne sogar während der Ehe mit ihr.
Die damals schon vorhandene Klatschpresse berichtete, dass der Coburger Festungsberg voll von prächtigen Villen steht, die Ernst für seine Liebhaberinnen errichten ließ. Das ist stark übertrieben. Dass der Herzog sich um seine Vorleserinnen kümmerte, ist aber nachweislich belegt.
So ließ er 1868/69 für die französische Sängerin Rosine Stoltz, mit der er einen unehelichen Sohn hatte, das neue Schloss Ketschendorf errichten. Gleichzeitig adelte er sie zur Freifrau von Ketschendorf. Hier residierte sie für gerade einmal zwei Jahre. Dann wechselte sie ihren Wirkungskreis zurück in ihre Heimatstadt Paris, ins Hotel Cosmopolite.
Seiner letzten Vorleserin, der Hofschauspielerin Jenny Mejo, ließ er 1891/92 ebenfalls eine Villa, das Haus Pilgramsroth 5, erbauen.
Ich möchte mir an dieser Stelle die Frage erlauben: Was bewegt eine Ehefrau dazu über eine glückliche Ehe zu berichten, wenn ihr Ehemann während der Ehe Verhältnisse zu anderen Frauen pflegte und Kinder mit ihnen zeugte?
In der Regel geht es gegen die Natur der Frau, zu tolerieren, wenn deren Partner „fremdgehen“.
Was bewegte Alexandrine dazu dies zu tun?
War es ein Schuldgefühl, dass sie ihm keine Kinder geben konnte?
Wusste sie von diesen Affären? … oder hat sie es erst hinterher, oder gar erst nach seinem Ableben, erfahren?
War eine möglicherweise ihrerseits bestehende Toleranz, ihre Art der Manifestation ihres Besitzanspruches auf seine vermeintliche Liebe und /oder ihre gesellschaftliche Stellung?
War ihre Liebe zu Ernst so groß, dass sie darüber hinwegsah?
„Fremdgehen“ kann vielfältige Gründe haben, jedoch werden wir wohl im Nachhinein kaum noch ergründen können, warum dieses in der Ehe der beiden so geschehen ist.
Wie nun die Ehe mit Alexandrine wirklich aussah, ist bis heute kaum bekannt. Als sicher gilt, dass sie Ernst Liebe und Zuneigung entgegenbrachte.
Es steht jedoch fest, dass Alexandrine dieses, ob bewusst oder unbewusst, mit getragen hat, vielleicht als Last oder wie oben geschrieben, begründet in einem „schlechtes Gewissen“, da sie selber keine Kinder in der gemeinsamen Ehe hatten.
Dies ist für mich als Frau schwer nachzuvollziehen und ich nenne sie ob ihrer natürlichen und liebenswerten Art im Umgang mit allen Menschen, egal welchen Standes, deshalb liebevoll „Drinchen“, Verniedlichung zu Alexandrine.
Ob uns die Ergründung dieser von Ernst betriebenen Drei-Ecks-Beziehungen tatsächlich gefallen wird, steht in den Sternen. Zumindest kann ich basierend auf meiner Beschäftigung mit ihr feststellen, dass Alexandrine mit recht als eine die ihrige Epoche „prägende Frau“ bezeichnet werden kann.
Alexandrine stand ihrem Ehemann in Sachen Engagement und Wirken für ihr Volk in nichts nach. Sie gründete in Coburg das Volksbad als eines der ersten Bäder in Deutschland, sie spendete an gemeinnützige Einrichtungen, ganz besonderen Wert legte sie auf die Unterstützung der Mädchenbildung und die Bildung von sozial Schwachen, so auch in Friedrichroda. Durch ihr Engagement in vielen sozialen Bereichen genoss sie im Volk hohes Ansehen und war sehr beliebt. Dieses Bild von ihr hatte sich auch in die Herzen der Friedrichrodaer sowie der Reinhardsbrunn umgebenden Gemeinden eingebettet, weswegen die Bevölkerung sie mit ihrer Güte und Nächstenliebe hoch achtete.
Auch ich muss abschließend sagen, dass ich sie sympathisch finde, denn nicht jede Frau bleibt zeitlebens so liebenswert, engagiert sich so sehr sozial mit allen ihr zu Geboten stehenden Möglichkeiten und spricht in ihren Tagesbüchern stets von Liebe zu ihrem Ehemann, so wie sie es tat.
[1] Ernst II., Aus meinem Leben und aus meiner Zeit, Erster Band, Verlag von Wilhelm Hertz, Berlin,
1888, S. 105
[2] Ernst II., Aus meinem Leben und aus meiner Zeit, Erster Band, Verlag von Wilhelm Hertz, Berlin,
1888, S. 108
[3] Ernst II., Aus meinem Leben und aus meiner Zeit, Erster Band, Verlag von Wilhelm Hertz, Berlin,
1888, S. 110
[4] Das genealogische Handbuch und Sandner erwähnen in diesem Zusammenhang drei uneheliche Kinder. Getraude Bachmann konnte gar fünf Kinder archivalisch nachweisen. Vgl. auch Stammliste des Hauses Wettin
©Martina Giese-Rothe, alle Rechte vorbehalten, Wiedergabe, auch auszugsweise nur mit vorheriger Genehmigung.
Helene Lange
Käte Duncker
Foto Helene Lange:
Varges, Helene (Zeichnerin) / AddF – Archiv der deutschen Frauenbewegung / Gemeinfrei
Foto Käte Duncker:
gemeinfrei, da über 100 Jahre
Thüringer Frauenrechtlerinnen – bei diesem Begriff fallen sofort zwei Frauen ein:
Käte Duncker und Helene Lange. Selbstverständlich dürfen diese beiden starken Frauen, die die Stadt Friedrichroda mit prägten, nicht in meinen Frauenstudien fehlen. Genauer gesagt, sie sind die beiden prägenden Frauen, die mich inspirierten zu den Friedrichrodaer Frauenstudien.
Helene Lange:
Helene Lange war eine deutsche Politikerin, Pädagogin und Frauenrechtlerin. Sie wurde am 09. April 1848 in Oldenburg geboren. Helene Lange war Mitbegründerin des ADLV (Allgemeiner Deutscher Lehrerinnenverein), dieser wurde 1890 in Friedrichroda gegründet. 1887 erschien die von ihr verfasste Begleitschrift zu ihrer Petition, diese forderte, dass Mädchen/Frauen Zugang zur akademischen Ausbildung bekommen. Diese Begleitschrift erregte Aufsehen und machte Helene Lange über alle Grenzen hinweg bekannt und zu einer prominenten Akteurin in der Frauenbildungsbewegung.
Käte Duncker:
Paula Kathinka Doell, bekannt als Käte Duncker (verheiratet mit Hermann Duncker), wurde am 23. Mai 1871 in Lörrach (Baden) geboren und wuchs in der Thüringischen Stadt Friedrichroda auf. Oft werden mit ihrem Namen sofort die Begriffe sozialdemokratisch-kommunistische Politikerin, Aktivistin in der Frauenbewegung, zudem Mitglied in der KPD, der Spartakus-Gruppe zugehörig uvm. verbunden. Beschäftigt man sich jedoch intensiv mit ihr, so muss man unweigerlich feststellen, dass ihre Gedanken und ihr Bestreben im kommunistischen Bereich viel tiefgreifender und sozialisierter waren, als das was vordergründig auf den ersten Blick erscheint. Ihr Bestreben galt zu jeder Zeit, sich für Benachteiligte einzusetzen.
Beide Frauen sind auch heute noch so bemerkenswert und besonders, dass man ihnen einen weiten Raum und Platz geben muss, wenn man über sie recherchiert und berichtet. Dieses habe ich zusammen mit Peter Köllner in dem Buch „Reinhardbrunn und Friedrichroda – Stadt“ Das Schulwesen von den Anfängen bis in die Gegenwart als Gastautorin verarbeitet. Dieses Buch ist im Juli 2023 erschienen und gibt einen Einblick in das Schulwesen, in die Personen Käte Duncker und Helene Lange.
Aus meiner eigenen persönlichen Sichtweise heraus kann ich sagen, dass diese beiden Frauen so vorbildlich sich für Frauenrechte und die Bildung einsetzten – was vielen sicherlich nicht bewusst ist – und somit es sich lohnt über sie zu lesen und sich daran zu erinnern, was sie für uns Frauen erreicht haben, wir ihnen zu verdanken haben. Dadurch ergibt sich folglich und unweigerlich die Frage: Wo ständen wir heute ohne das Engagement dieser beiden so bemerkenswerten Frauen?
Hier der Link zum Buch:
https://buchshop.bod.de/reinhardsbrunn-und-friedrichroda-stadt-peter-koellner-9783757813819
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Anna Amalia von Sachsen-Weimar und Eisenach, geb. Prinzessin von Braunschweig-Wolfenbüttel, Gemälde von Johann Ernst Heinsius (1769)
Quelle: commons.wikimedia.org/wiki
Kurz-Portrait von Herzogin Anna Amalia
Es gibt sicherlich eine Vielzahl bemerkenswerter Frauen, dennoch gibt es einige Wenige, die in der Vergangenheit besonders durch ihre Persönlichkeit und ihr Wirken fast zu „Ikonen“ wurden. Es sind insbesondere diejenigen, die dazu beigetragen haben dass wir, als Nachfahren und Erben, ihres Wirkens für das Gemeinwohl, an deren Vermächtnis Anteil haben können. Hierzu zählt besonders Anna Amalia mit der nach ihr benannten Herzoglichen Bibliothek in Weimar. Durch ihre ausgeprägten kulturellen Leidenschaften und das damit verbundene vorbildliche Engagement, hatte sie einen wesentlichen Einfluss auf die Bildungslandschaft ihrer Zeit.
Anna Amalia hatte in ihrem Bekannten- und Freundeskreis ausgesuchte Persönlichkeiten. Darunter waren: der Dichter Musäus, Philosophieprofessor Christopf Martin Wieland, Johann Wolfgang Goethe, der Theologe/Pastor und Philosoph Johann Gottfried Herder und einige mehr.
Lebensdaten im Überblick:
· 24. Oktober 1739 in Wolfenbüttel geboren
· 16. März 1756 Vermählung mit dem ebenfalls evangelisch-lutherischen Herzog Ernst August II. Constantin von Sachsen-Weimar und Eisenach
· 3. September 1757 Geburt ihres 1. Sohnes des Erbprinzen Carl August
· 28. Mai 1758 Tod ihres Mannes und somit Witwe (bis zu ihrem eigenen Tod)
· 8. September 1758 Geburt ihres 2. Sohnes Friedrich Ferdinand
· 30. August 1759 die obervormundschaftliche Landesadministration der Herzogstümer Weimar und Eisenach, da ihre Söhne noch unmündig waren
· 3. September 1775 Übergabe der Regierung an ihren Sohn Carl August
· 1781 – 1784 Veröffentlichung des „Journal von Tiefurt“ (handgefertigte Ausgabe über schriftstellerische Texte unter Beteiligung Weimarer Damen und der Gesellschaft um Goethe)
· 1788 – 1790 Iltalienaufenthalt (vorwiegend Rom und Neapel)
· 10. April 1807 Todestag von Anna Amalia nach kurzer schwerer Krankheit
Anna Amalia Bibliothek:
Die ursprüngliche Gründung und die Anfänge dieser Bibliothek gehen zurück auf das Jahr 1552, Herzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar begann mit dem Bau einer Herzoglichen Bibliothek, die im Jahre 1766 von Anna Amalia weiter ausgebaut und in das „Grüne Schloss“ einzog. Die Bibliothek von Herzogin Anna Amalia umfasste zu Lebzeiten bis zu 5000 Bücher und Bände. Diese sind heute Bestandteil der „Thüringer Landesbibliothek“, auch Anna Amalia Bibliothek genannt. Der Buchnachlass der Herzogin zählt als eine der größten privaten Büchersammlung des 18. Jahrhunderts deutscher Fürstinnen. Der Fokus des Inhaltes liegt auf deutscher Literatur- und Kunstgeschichte.
Das Gebäude der Herzoglichen Anna Amalia Bibliothek beinhaltet einen Rokokosaal und einen Barocksaal.
Im Jahre 2014 zerstörte ein Brand diese geschichtsträchtige Bibliothek mit hohen Verlusten an Büchern, aus der wertvollen Musikaliensammlung und von Gemälden, deren Verlust auf ca. 67 Mio. Euro geschätzt wurde.
Im Jahre 2014 wurde die Bibliothek wiedereröffnet und erstrahlt nach der Restauration in neuem Glanz. Die Anna Amalia Bibliothek ist öffentlich zugänglich und gehört zum Weltkulturerbe.
Anna Amalia und die Bildung:
Anna Amalia wurde im Wolfenbütteler Schloss, dem zweitgrößten erhaltenen Schloss in Niedersachsen, als fünftes Kind von insgesamt 13 Kindern vom Herzogspaar Philippine Charlotte, geb. Preußen, und Karl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel geboren. Das Haus dieses Hochadelsgeschlechtes legte Wert auf eine breite Bildung in allen Bereichen. Schwerpunkt war der Religionsunterricht, der in deutscher und französischer Sprache erfolgte. Zudem erhielt Anna Amalia die Erziehung in Staaten, Regenten- und Reichsverfassungsgeschichte, wie es für die Rolle einer Fürstin damals vorgesehen war. Allerdings genoss sie am Hofe in Wolfenbüttel noch eine weiterreichende Erziehung und umfassendere Ausbildungen, was damals nicht an allen Adelshäusern üblich war. Diese beinhaltete: naturwissenschaftliche und musikalische Fächer (mehrere Instrumente/Komponieren), die Sprachen Latein, Englisch, Französisch, Deutsch, Zeichnen, Tanz und wie schon erwähnt Religion. Auch herrschte ein ausgeprägt reges kulturelles Leben am Hofe, welches Anna Amalia beeinflusste. Ebenso war sie eine Kunstliebhaberin.
Sie war sich bewusst, dass sie eine gute Bildung von ihrem Elternhaus mitbekam. Eine gleichartige Bildung ließ sie in diesem Bewusstsein ebenfalls ihren Söhnen zukommen. Sie stellte hierzu Graf Johann Eustach von Schlitz (Hessen), auch Görtz genannt, und den Dichter Christof Martin Wieland als Prinzenlehrer ein. Sie selbst bildete sich ein Leben lang. Im Alter von 52 Jahren brach sie zu einer Bildungsreise nach Italien auf. Vor Ort vertiefte sie ihr kulturelles Wissen über Musik und Natur. Sie versuchte das nachzuholen, was ihr in diesem Bereich noch an Erfahrungen und Wissen fehlte. Auf ihren eigenen Wunsch hin wurde Anna Amalia in der Stadtkirche von Weimar bestattet. Auch dieser Wunsch ist meines Erachtens ihrer hohen Bildung geschuldet.
Herzogin Anna Amalia und die Beziehungen zu den Friedrichrodaer Frauen
Wie man in meinen Friedrichrodaer Studien erlesen kann, handelt es sich hierbei vorwiegend um Frauen, denen die Bildung sehr am Herzen lag. Sie selber genossen aus ihren Elternhäusern heraus eine humanistische Erziehung und Bildung. Sie waren zudem immer bestrebt die vorhandenen Defizite, egal in welchem Alter in Eigeninitiative auszugleichen. Sie handelten im Streben nach Wissen, Bildung und Dialog beispielgebend für unsere heutige Generation.
„Wissen ist eine Holschuld“. (I.Kant)
Bildung aber soll allen, ohne Hemmnisse, zugänglich sein. (eigene Anmerkung)
Ich sehe mich durch die Betrachtung der unterschiedlichen Biographien darin bestärkt, das ein ausgeprägtes kulturelles und gemeinwohlorientiertes Leben, als auch die Bereitschaft zum Diskurs und ein sozialethisches geprägtes Füreinander, Basis des Zusammenlebens sein sollten.
Bei Anna Amalia geht es m. E. um den nachhaltigen Einfluss ihres kulturellen Wirkens als herzogliche regierende Frau in einem durch den 7-jährigen Krieg zerrüttetem Land mit der Stadt Weimar als herzoglicher Sitz. Hier hat sie sich als Frau bewiesen und mit ihrer Regentschaft in einer damals schweren Zeit durchgesetzt. Mit Goethe an ihrer Seite und seiner Berufung zum Minister 1775 wertete sie nicht nur das Herzogtum Weimer und Eisenach auf, sondern wirke so nachhaltig auf ganz Thüringen.
So wie Anna Amalia schon im 18./19. Jahrhundert als starke Frau, natürlich auch begründet in ihrer Stellung im Machtgefüge, Thüringen prägte, folgten viele andere nach: Helene Lange, Käte Duncker und viele mehr.
Diesen Frauen, deren starkem Willen und prägendem Wirken, verdanken wir es, wie das heutige Thüringen von der Weltgemeinschaft wahrgenommen wird.
Mich persönlich beeindruckt besonders, dass Anna Amalia selber nie aufhörte sich weiterzubilden. Selbst im Alter war sie jederzeit bestrebt, die für sie nicht zufriedenstellenden „sog. Bildungslücken“, ganz besonders in Kunst und Kultur, abzubauen. Und das obwohl sie schon damals wesentlich mehr Bildung als andere Frauen genossen hatte und auch nach außen vermittelte. Dies allein belegt schon ihre Italienreise. Meines Erachtens macht diese Eigenschaft sie zum Vorbild für viele andere Frauen. Gerade heute können solch prägende Vorbilder der vorangegangenen Epochen, Vorbilder im Streben aller, ob Mann oder Frau, sein. Ihnen allen war Müßiggang wohl ein Fremdwort!
Es ist zu hoffen, dass Kunst, Literatur und Kultur, durch den öffentlichen Charakter der Anna Amalia Bibliothek, als auch in der Würdigung der Leistungen der anderen „starken Frauen“, die Thüringen prägten, zur Vervollkommnung und stetigen Weiterentwicklung der Bildungslandschaft Thüringens und darüber hinaus beitragen werden.
Quelle: Ida Seele-Archiv, Dillingen, gemeinfrei, Thekla Naveau, aus Vorlage restauriert und coloriert
©Martina Giese-Rothe, alle Rechte vorbehalten, Wiedergabe, auch auszugsweise nur mit vorheriger Genehmigung.
Thekla Naveau
Zur Zeit arbeite ich an meinen „Friedrichrodaer Frauenstudien“. Beim Recherchieren hat Thekla Naveau mein Interesse geweckt. Auch sie hat einen bemerkenswerten Eindruck bei mir in Bezug auf die Aspekte von Lehren und Bildung hinterlassen. Ihre Art diese an Kinder zu vermitteln kann, so glaube ich, auch heute noch zum Vorbild genommen werden.
Im Folgenden möchte ich Ihnen Thekla Naveau vorstellen:
Thekla wurde auf den vollständigen Namen Thecla Amalia Wilhelmine Naveau am 13. April 1822 in Mühlhausen/Thüringen geboren, am 05. Mai desselben Jahres getauft und ist am 10. September im Alter von nur 49 Jahren (1871) in Nordhausen verstorben. Ihr Vater war der Arzt Johann Ludwig Gottlieb Naveau, ihre Mutter Wilhelmine war eine geborene Helmkampf. Thecla hatte noch fünf weitere Geschwister, sie selber war das zweitälteste Kind. Thecla Amalia Wilhelmine, genannt Thekla, war Anhängerin der Fröbelpädagogik, Frauenrechtlerin, Kindergärtnerin, aktives Mitglied im Allgemeinen Deutschen Frauenverein (ADF), als auch Vorsteherin im Nordhauser Frauenbildungsverein. Alleine an der Vielzahl ihrer Mitgliedschaften kann man erahnen wie sehr ihr Bildung am Herzen lag.
1828 verstarb ihr Vater sehr früh, sodass ihre Mutter aus finanziellen Gründen mit den Geschwistern nach Groß-Keula zur Großmutter von Thekla zog. Diese war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls schon verwitwet. Thekla wurde von ihrer Mutter, so wie es damals üblich war, in Privatunterricht unterrichtet. Dies war für Thekla nicht zufriedenstellend, weshalb sie sich in Folge über Lücken in ihrer Bildung beklagte. Daraus resultierte ihre Einstellung, dass sie Bildung für alle Kinder als unabdinglich anschaute und diesen so früh wie möglich die Förderung der ihnen eigenen Fähigkeiten zu ermöglichen sei.
Später, im Alter von 25 Jahren, zog Thekla zurück nach Mühlhausen, da sie hier eine Stelle als Erzieherin in privater Stellung bei der Kaufmannsfamilie Lutteroth antrat. Diesen Lebensabschnitt sehe ich persönlich als prägend und wegweisend für Thekla, die hier entsprechende Begegnungen hatte und Erfahrungen sammelte. Diese sollten Thekla in ihrer Einstellung zur Bildung für ihren weiteren Lebensweg beeinflussen und prägen. Deshalb möchte ich hier kurz am Beispiel von Frau Julie Lutteroth eingehen:
Julie Sophie Lutteroth (1792-1856) war die Tochter des Textilfabrikanten Ascan Lutteroth, sie heiratete im Jahre 1812 ihren Cousin, den Fabrikanten und Stadtverordneten namens Johann Christian Lutteroth. Johann Christian war der Sohn des Mühlhäuser Bürgermeisters Gottfried Lutteroth-Wedekind. Er verstarb sehr früh im Jahre 1827. Augenscheinlich hat sich seine Witwe Julie dadurch der sozialen Arbeit verschrieben und sich in der Armenkommission der Stadt engagiert. Diese und auch das Mühlhäuser Gymnasium gründete sie im Jahre 1827. Ein Jahr später initiierte sie die "Anstalt zur Erziehung armer verwahrloster Kinder" und in 1835 gründete sie die Kleinkinderschule. Es beeindruckte mich bei meinen Recherchen sehr, dass diese ehemalige Kleinkinderschule, die heute noch in diesem Hause als Kindergarten existiert, den Namen der Heiligen Elisabeth von Thüringen trägt. Somit schließt sich bei meinen Recherchen nach meinem Empfinden immer wieder ein „Kreis“ der alle Frauen über die Zeiten hinweg miteinander zu verbinden scheint.
Thekla Naveau kam in dieser Zeit in Kontakt mit Henriette Schrader-Breymann. Sie war Pädagogin, ebenso beeinflusst durch das Konzept ihres Onkels Friedrich Fröbel – Fröbelpädagogik – Gründerin von Bildungs- und Erziehungsinstitutionen. Zu ihren Mitstreiterinnen in damaliger Zeit gehörten Helene Lange, Victoria Adelaide Mary Louisa, Prinzessin von Großbritannien und Irland VA, die sich ab 1888 Kaiserin Friedrich nannte (* 21. November 1840 im Buckingham Palace, London; † 5. August 1901 in Schloss Friedrichshof, Kronberg im Taunus). Diese war die Gemahlin des deutschen Kaisers Friedrichs III., so wurde sie 1888 die Königin von Preußen und Deutsche Kaiserin als auch die Mutter von Kaiser Wilhelm II. uvm. Diese Begegnungen, Kontakte und das gemeinsame Gedankengut beeinflussten Theklas Entscheidung stark, als 30jährige eine Ausbildung zur Kindergärtnerin zu machen. Diese Ausbildung ging damals über einen Zeitraum von einem halben Jahr. Sie meldete sich daher an der Ausbildungsstätte für Erzieherinnen Wilhelm Middendorf Schlösschen Marienthal, Bad Liebenstein-Schweina, unter der Ausbildungsleitung von Louise Fröbel, an. Diese begann im Frühjahr/Sommer 1853. Zu ihrem eigenen Bedauern lernte sie Friedrich Fröbel leider nicht persönlich kennen, da dieser im Jahr zuvor 1852 verstarb. Aus diesem Grunde wurde auch die Ausbildungsstätte vom Schlösschen Marienthal (Bad Liebenstein-Schweina) nach Rudolstadt/Thüringen (Ortsteil Keihlhau) verlegt. Nach ihrer Ausbildung eröffnete Thekla mit ihrer Schwester Marianne in Sondershausen/Thür. einen sog. Fröbelkindergarten.
Ihre Mitkommilitoninnen erinnerten sich daran, wie engagiert und mit welchem Herzblut Thekla ihrer Berufung nachging. Die spätere international bekannte Fröbelpädagogin Eleonore Heerwart zitiert Thekla folgend:
„Wie lieblich sprach Thekla über Blumen mit ihren Zöglingen, ein Blättchen, ein Gräschen wurde in ihrer Hand zu einem Zauberstäbchen, mit dem sie bei den Kindern die Liebe zur Natur anregte (Heerwart 1906, S. 59 f).“
Thekla Naveau hatte es nicht einfach. Zuerst kämpfte sie um das Bekanntwerden des Fröbel-Konzeptes. Zudem geriet sie immer mehr in Kritik wegen ihres Kontaktes zu Eduard Wilhelm Baltzer. Dieser war Begründer des ersten deutschen Vereins für Vegetarier und der erste Präsident des Bundes Freireligiöser Gemeinden Deutschland, zudem ebenfalls Fröbel-Anhänger. Ebenso war er der „Vater der Jugendweihe“.
Nicht nur, dass sie Pädagogin und Frauenrechtlerin war, auch betätigte sie sich zusammen mit ihrer Schwester Marianne als erfolgreiche Schriftstellerin und publizierte viele Fachbücher, insbesondere über die Fröbel-Pädagogik. [1]
Am 10. September 1871 sollte in Nordhausen die Versammlung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins stattfinden, wo Thekla als Vorsteherin des Nordhauser Frauenbildungsvereins aktiv mitplante. Doch in Nordhausen herrschte die Pockenepidimie, sodass die Generalversammlung nach Leipzig verlegt wurde. Thekla erkrankte ebenfalls an Pocken und genau am 10. September 1871 verstarb sie, sie wurde nur 49 Jahre alt.
Mich beeindruckt es ganz besonders, dass damals bei den engagierten Frauenrechtlerinnen ein ansehnlich großes Netzwerk untereinander entstand und diese verband, nicht nur in Thüringen, sondern weit über die Landesgrenzen hinaus. Ebenso beindruckt es mich, dass sich diese Frauen gegenseitig mit ihrem Gedankengut tatkräftig unterstützten und dabei ganz besonders, dass sie stets ein gemeinsames Ziel, die Bildung möglichst für alle voranzutreiben, verfolgten. Trotz alledem finden sich immer wieder Verknüpfungen nach Friedrichroda. Sei es durch abgesagte geplante Veranstaltungen, Bekanntschaften untereinander und nicht zuletzt durch die Bekanntheit des damaligen wunderschönen Kongress- und Kurortes Friedrichroda.
Hier gilt der Satz von Pater Kentenich zu zitieren: „Zufälle gibt es nicht!“
Ebenso bemerkenswert erscheinen mir die damaligen Thesen über Bildung, die heute noch oder auch „wieder“ aktueller denn je sind. Mein ganz besonders großes Anliegen ist es diese zu vertreten, voranzutreiben und persönlichkeitsorientiert weiter zu entwickeln:
„Jeder hat ein Recht auf Bildung … und Teilhabe am Kulturgut unseres Gemeinwohls“!
Da wir gerade jetzt in Zeiten leben, die meiner Auffassung entsprechend, eine dringend notwendige Bildungsreform unabdingbar machen, ist es geboten, hier ganz subtil vorzugehen und die engagierten Frauen von damals – wie Thekla Naveau, Helene Lange, Käte Duncker und viele mehr – nicht als „überholt“ abgestempelt zu betrachten. Vielmehr sollten diese hier als Vorbilder dienen, so wie ich es eingangs schon erwähnte.
[1] Naveau, Marianne und Thekla, Spiele, Lieder und Verse für Kindergarten, Elementarklasse und Familie, Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg, 5. Auflage, 1886
Thekla Naveau, Erzählbuch für Haus und Kinder-Garten 1. Heft mit 15 kleinen Geschichten, Verlag der Stollbergschen Verlagsbuchhandlung, Gotha, 1860
Thekla Naveau, Lehrjahre, Verlag Gebrüder Scheitlin, Stuttgart, 1869
…. und andere Bücher / Publikationen
Fröbel-Buch, Der Kindergarten.
Quelle: gemeinfrei, Friedrich Fröbel-Museum Bad Blankenburg
Quellen/Literatur:
Nordhausen-wiki/Stadt Nordhausen.de
Archive-in-thüringen.de
de.wikipedia.org/wiki/Thekla-Naveau
Friedrichroda, Mai 2023
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Genehmigung
Elisabeth – 800 Jahre Krankenhospital Gotha
In diesem Jahr feiert Gotha die 800-jährige Gründung des ersten Hospitals der Heiligen Elisabeth. Solche Anlässe geben uns immer wieder gerne die Gelegenheit uns mit der Geschichtskultur auseinanderzusetzen und zu erinnern.
Landgräfin Elisabeth von Thüringen ist immer noch eine der beeindruckensten Frauen in der Kirchengeschichte, auch heute ist sie noch sehr bekannt und beliebt. Ihr Herz gehörte den Armen. Unter dem Einfluss des Evangeliums und ihrer überaus großen Liebe zu Gott und ihrer Frömmigkeit wirkte sich ihre Nächstenliebe zu den Menschen aus, besonderen den Hungernden und auch den Kranken.
Der Name Elisabeth kommt aus dem hebräischen und bedeutet: Gott ist Fülle.
Elisabeth wurde im Jahre 1207 im nordostungarischen Sarospatak geboren und kam als 4-jährige auf den Thüringer Landgrafenhof, um hier in der Familie ihres zukünftigen Mannes aufzuwachsen und erzogen zu werden.
Man fragte sich auf dem Thüringer Landgrafenhof, ob Elisabeth auch die geeignete Ehefrau für den Landgrafen sei und erwog, sie eventuell wieder nach Ungarn zurückzuschicken, da sie ihren eigenen Kopf hatte. Doch Ludwig liebte Elisabeth und ließ sie nicht mehr gehen. Selbst in der Ehe sprachen sie sich noch „mein lieber Bruder“ und „meine liebe Schwester“ an.
Elisabeth muss sich wohl oft in Reinhardsbrunn aufgehalten haben, da das ehemalige Kloster als Hauskloster und Grablege der Ludowinger genutzt wurde. Aus der kurzen, aber glücklichen Ehe mit Ludwig gingen 2 Kinder hervor, ihr 3. Kind, die Tochter Gertrud, wurde nach dem Tode von Ludwig geboren. Ludwig starb im 5. Kreuzzug. Nach dem Tode ihres geliebten Mannes war Elisabeth ganz und gar den Anfeindungen seiner Verwandtschaft ausgesetzt, deshalb verließ sie mit ihren 3 Kindern und Dienerinnen die Wartburg. Doch sie stellte sich den Weggang vom Hofe leichter vor. Nirgends wurde sie aufgenommen, sodass sie schließlich in einem ehemaligen Schweinestall unterkam. Ihr Onkel, der damalige Bischof von Bamberg, ließ sie schließlich gegen ihren Willen nach Bamberg bringen. Er schlug ihr eine Wiedervermählung vor, die sie jedoch vehement ablehnte. Im Frühjahr 1228 konnte sie sich der Aufsicht ihres Onkels entziehen, da sie sich dem Leichenzug ihres Mannes Ludwig anschloss, der von Italien zurück nach Thüringen überführt wurde. Nach der Beisetzung in Reinhardsbrunn kam es zu einem großen Konflikt, man wollte ihr die Witwengüter, die ihr zustanden, nicht auszahlen. Doch Konrad von Marburg, ihr Beichtvater, dem Elisabeth unterstellt war, konnte für sie eine Entschädigung aushandeln, die u. a. Ländereien in Marburg zur lebenslangen Nutzung beinhalteten. In Marburg baute Elisabeth ihr 4. Spital, wo sie bis zu ihrem Tod im Alter von 24 Jahren als Spitalschwester mitarbeitete.
Elisabeth selbst arbeitete in den von ihr geründeten Hospitälern stets als einfache Spitalschwester im „grauen Gewand“ – „soror in saeculo“ (Schwester in der Welt). Es zeigte an, dass sie sich im geistlichen Stand befand.
Sehr früh schon nannte man sie Mater pauperum – Mutter der Armen. 4 Jahre später wurde sie heiliggesprochen.
Elisabeth von Thüringen begnügte sich nicht nur mit dem Geben von Almosen. Sie kümmerte sich selbst um Kranke und Bedürftige. Sie spann Wolle, webte daraus Tücher und verteilte sie selbst an die Armen. Besonders liebevolle Zuwendung schenkte sie den Kindern, selbst Aussätzige und verkrüppelte Kinder streichelte und liebkoste sie. Sie selbst half bei der Austeilung der Speisen mit. Elisabeth hatte zwar nach Aussagen ihres Beichtvaters Kenntnisse über Medizin und Pflege, jedoch konnte er keine Angaben machen, woher sie diese hatte. Hier unterschied sich Elisabeth sehr zu Hildegard von Bingen (*1098, +1179), die sich ihr medizinisches Wissen im Kloster aneignete. Es ist m. E. sehr wahrscheinlich, das Elisabeth im Rahmen ihrer Ausbildung am Hofe auch Zugriff auf die Werke von Hildegard von Bingen hatte. Diese gehörten damals zur „Standardausstattung“ der ordensnahen Klöster, wie auch des Benediktinerklosters in Reinhardsbrunn.
Durch ihre Barmherzigkeit und ihre überaus große Fürsorge zu den Bedürftigen, Armen und Kranken zählt Elisabeth heute noch zu den modernen Heiligen. Sie ist Vorbild für die Nächstenliebe und wird konfessionsübergreifend verehrt. Das sieht man auch daran, dass viele Einrichtungen wie Krankenhäuser, Kirchen und auch Palliativzentren heute noch ihren Namen tragen.
Elisabeth schämte sich nicht der Armut, auch war es ihr egal Außenseiterin zu sein. Obwohl in dieser Zeit die Frauen im mitteleuropäischen Raum in der Minne hochverehrt wurden, nahmen sie doch eine andere Stellung in der Gesellschaft, als heutzutage ein. Dafür ist sie heute noch als große Persönlichkeit zu bewundern und wenn man bedenkt, dass Elisabeth hier in Reinhardbrunn verweilte, diesem einmaligen besonderen Ort, der direkt vor unserer Haustüre ist, erkennen wir einmal mehr, was für eine Besonderheit Reinhardsbrunn nahe Gotha darstellt.
Elisabeth kopierte nicht einfach bestehende Vorbilder verschiedener Orden außerhalb Thüringens. Schon damals waren die Architektur und der Baustil ihrer Hospitäler so konzipiert, dass sie sozusagen Schutzräume für Kranke, Bedürftige und Obdachlose waren. Sie baute ihr eigenes erstes Hospital zusammen mit Ludwig IV. in Gotha. Von 1221 an baute man daran, bis es 1223 unter dem Namen „Hospital Maria Magdalena“ eröffnet wurde.[1]
Der Bau wird in unmittelbaren Zusammenhang mit Missernten und dadurch bedingten Versorgungsengpässen dieser Zeit gebracht. Das Haus wurde den Lazarittern überstellt und ist damit der Gründungsakt der UrKommende der Lazarus-Brüder in Gotha.
Hospitäler, Lazarette usw. wurden meistens am Rande der Stadt gebaut, so auch das vorgenannte Hospital in Gotha, dieses lag nahe dem Brühler Tor (im Brühl). Auch war es üblich diese Hospitäler mit einer Hauskapelle auszustatten. 1719 wurde eine Erneuerung des Gebäudes im Barockstil fertiggestellt, bis 1973 diente es als Pflegeheim, heute wird es als Frauenzentrum genutzt.
Anlässlich des Jubiläums hat die Stadt Gotha vom 28. bis 30. Juli 2023 ein Fest geplant, worauf es sich heute schon freuen lässt.
Viel Freude dabei.
[1] Quellen: Stiftungsurkunde des Hospitals Maria Magdalena von Landgraf Ludwig IV., Gemahl der heiligen Elisabeth, Datierung: um 1223 – 1226, Pergament, 16 x 20 cm, Archivportal Thüringen, ... zum Hause des Hospitals zu Gotha gehörend, für die Brüder St. Lazari vom Hause ...; https://www.st-lazarus-orden.de/aktuelles/wussten-sie/details/news/elisabeth-von-thueringen/
Foto: gemeinfrei aufgr.Alter, hängt u. a. im Frauenzentrum Gotha, bearbeitet DI P.K.
Friedrichroda, April 2023